Nachgedacht

Pfarrer
Marc-Albrecht Harms
„Der Hoffnung eine Tür in der Nachthütte offenlassen“
Wir kommen aus einem Sommer, der wettertechnisch ein wenig an frühere Zeiten anknüpfen konnte, als Rudi Carrell seinen Klassiker sang „Wann wird ́s mal wieder richtig Sommer“. Das Klagen über das jederzeit zu regnerische, zu kühle, zu windige, zu heiße und zu trockene Wetter lenkt uns ab von der mühevollen Beschäftigung mit den politischen Krisen unserer Zeit. Kriege in Nahost und in der Ukraine, um nur zwei der zahlreichen Kriege
zu benennen und Krisen über Krisen beschäftigen uns und die Gesellschaft. Wer kann dabei den Kopf noch oben halten und mit gutem Gewissen froh- gemut seinen Tag beginnen? Woher kommt mir Hoffnung für trübe Zeiten? Bei dem Propheten Jesaja lohnt es sich nachzulesen. Beginnt das erste Kapitel mit einer Beschreibung größter Verheerung und Zerstörung, so weitet das zweite Kapitel des Prophetenbuches den Blick auf eine Utopie, eine Ansage der Zukunft, die von Gott kommen wird.
Schon im ersten Kapitel schimmert diese Hoffnung durch, wenn Jesaja beschreibt, dass bei aller Verwüstung ein kleiner Rest übrigbleiben wird, der wie ein „Häuslein im Weinberg, wie eine Nachthütte im Gurkenfeld“ erscheint. Jesaja will Hoffnung wecken und stärken. Diese Hoffnung speist sich daraus, dass Gott im Rückraum der Geschichte wirkt. Nicht immer sofort sichtbar, aber auf lange Sicht spürbar. Manchmal auch für alle erkennbar. So wie die Freundschaft zwischen Martin Luther King Jr., einem baptistischen Pastor und Abraham Joshua Heschel, einem jüdischen Rabbiner, die sich beide ge- genseitig unterstützten bei dem Kampf gegen Rassismus und freie Bürger- und Menschenrechte. Bekannt ist das Foto aus dem Jahr 1965, auf dem beide zu sehen sind, wie sie untergehakt an dem bekannten Protestmarsch von Selma nach Montgomery an der Spitze des Zuges gehen.
Lassen Sie uns die Zeit des Herbstes, die Zeit der Ernte und des Besinnens über die vorangegangenen Monate dafür nutzen, der Hoffnung eine Tür in unserer Nachthütte offen zu halten. Wir können die Tür einen Spalt weit offenhalten, weil wir ahnen, dass Gott im Rückraum unserer Zeit wirkt.
Eine ruhige Herbstzeit wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Marc-Albrecht Harms