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Nachgedacht

Pfarrer

Marc-Albrecht Harms

1. Mose 16,13: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“

So lautet die Jahreslosung für 2023.

Zum ersten Mal gibt in der Bibel ein Mensch Gott einen Namen. Du bist ein Gott, der mich sieht – so wird Gott hier bezeichnet. Viele andere Bezeichnungen werden noch folgen: barmherziger Gott, allmächtiger Gott, gnädiger Gott, usw.

Diese Namensgebung wird von einer Frau namens Hagar vorgenommen. Dieser Satz aus dem Mund der Hagar ist den Vätererzählungen der Genesis entnommen. In diesen Geschichten, die wir mit Abraham, Isaak und Jakob, und mit deren Frauen und Familien verbinden, wird uns vor Augen geführt, wie Gott handelt, bewahrt, segnet, begleitet, kurzum: ein Leben lang an der Seite der Menschen bleibt.

Hagar hat in der Wüste eine unvergessene Begegnung mit dem Engel des Herrn. Schnell wird deutlich, dass der Engel des Herrn kein Abgesandter Gottes ist, sondern Gott selber. Ähnlich wie in der Begegnung des Moses mit dem Engel des Herrn im brennenden Dornbusch, den Mose dann auch als Gott selber erkennt, wird Hagar hier den Engel des Herrn mit Gott identifizieren.

Diese Begegnung ist nicht zufällig. Hagar wird explizit vom Engel des Herrn gefunden. Die Begegnung geht von Gott aus, der sucht und findet, der Menschen mit Namen anspricht. Hagar wird von ihm angesprochen: Hagar, Sarahs Magd, wo kommst du her und wo willst du hin?

Das sind die Quellen- Fragen schlechthin. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Ein Moment der Rückschau und des Ausblicks, zwischen Vergangeheit und Zukunft. Es ist ein Moment, in dem Neues möglich wird, in dem sich Perspektiven verändern und neue Wege beschritten werden können. Die Begegnung mit Gott trägt immer einen Funken der Veränderung in sich.

Wo ein Mensch Gott begegnet, da verändert sich etwas, da kommt etwas Neues und Unerwartetes ins Leben hinein. Am Ende
der Begegnung zwischen Gott und Hagar erhält sie von Gott die Verheißung einer großen Nachkommenschaft, ganz ähnlich wie Abraham.

Hagar kommt zu dem Schluss: Dieser Gott kann für mich nicht namenlos bleiben. Ich muss diesem Gott, der mir hier begegnet, einen Namen geben. Diese Anrede ist die Jahreslosung für dieses Jahr: „Du bist ein Gott, der mich sieht“.

Die Erzählung der Hagar bietet auch für uns Raum, unsere Erfahrungen einzupflegen: Wer ist Gott für uns, für mich? Wie würde meine Anrede klingen? Du bist ein Gott, der…?

Du bist ein Gott, der segnet, der rettet, der sucht und findet, der verheißt, der auch in schwierigen Zeiten mitgeht und an unserer Seite steht.

Ihr Pfarrer Marc-Albrecht Harms